Auf der Reise mit Vater (Aitarekin bidaian)
Arantxa Iturbe, Agurtzane Intxaurraga (Itzultzailea: David Lindemann)

Patxi lebt mit seinem Vater allein. Bevor Mutter starb, versprach er ihr, Vater bis zum Ende zu pflegen. Er wusste nicht, wie schwer es ihm fallen würde; der Versuch, sein Wort zu halten, hat sein Leben verändert. Auf dem Weg hat er Maite verloren, seine Verlobte, und er steht kurz davor, auch seine Arbeit zu verlieren. Das Schwierigste aber ist Patxis Beziehung mit Vater, dessen Zustand der Alzheimer zusehends verschlechtert. Seinen Vater wird Patxi auf dieser Reise kennen lernen, er wird Licht unter den langen Schatten des Onkel Juan bringen und seine eigene Geschichte verstehen. Dieser Reise letzte Station muss er dafür erreichen.

Die Bühnenwände sind sichtbar. Verteilt auf dem Boden Möbel und allerlei Hausrat. Darunter sind vier Objekte auffällig: Ein Akkordeon, zwei Koffer, ein Garderobenständer mit Mutters Wäsche und das Telefon.

Zwei Schauspieler treten auf. Einer setzt sich auf den Stuhl, der auf einer Seite steht, der andere tritt in den Vordergrund und beginnt mit dem Lichtwechsel zu sprechen.

VATER-SCHAUSPIELER: “Alt sind nur die anderen”, sagten unsere Alten (Lacht gequält), wir hielten das für seniles Gefasel und lachten sie aus. (Resignation andeutend) Doch das Lachen ist uns im Fluge vergangen. Man fängt an, zu vergessen. (Pause) Vergessen… Zuerst vergisst man Sachen: Wo habe ich die Autoschlüssel hingelegt? Dann vergisst man Termine: An welchem Tag musste ich zum Arzt? Man lernt, sich so etwas aufzuschreiben… (Mit Resignation) bis man vergisst, das Aufgeschriebene zu lesen. Man vergisst, was man gestern gemacht hat, heute morgen gesagt hat, heute Abend noch tun muss. Man vergisst, die Medikamente zu nehmen. Man vergisst die Brille, die Namen der Leute, Geburtstage, Gesichter, Adressen. Und schließlich vergisst man, wo man ist und warum, und sogar wer man ist vergisst man. Man vergisst alles. Alles Gute und alles Schlechte. Was sich zu vergessen lohnt und was zu schade ist zu vergessen. Das Vergessen kennt keine Grenzen. Es macht aus dem Jemand, der du warst, ein Garnichts. Es verwandelt nicht nur dich, sondern alle anderen mit dir in ein Nichts. Du weißt nur eins: Älter, immer älter. Ohne Chance auf Abhilfe. Es gibt keine Umkehr.

BEGINN DES DRAMAS (Lichtwechsel)

Geräusch eines Fernzugs, immer näher, immer deutlicher. Der Zug fährt pfeifend ein. VATER sitzt in der Mitte der Szene, fröhlich. Er hört das Geräusch des Zugs nicht. Er spielt sein imaginäres Akkordeon, in seine Welt versunken. Er improvisiert eine Melodie, die schönste Melodie der Welt. Und das gelingt ihm gut. Die Pfeife des Eisenbahnzugs erklingt.

In demselben Raum, an anderer Stelle, PATXI, der Sohn, vollkommen auf seine Rechenaufgaben konzentriert. Er hat weder Papier noch Stift zur Hand, er rechnet im Kopf.

PATXI: Neuntausend fünfhundert fünfunddreißig mal achttausend zweihundert einunddreißig, achtundsiebzig Millionen vierhundert zweiundachtzigtausend fünfhundert fünfundachtzig. 9535 mal 8232, 78 Millionen 492 tausend 120. 9535 mal 8233, 78 Millionen 501 tausend 655. 9535 mal 8234…

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